Schließlich begann ich in geduckter Haltung so schnell zu laufen wie ich konnte. Die ersten Bäume kamen immer näher und wirkten im Dunkeln noch einschüchternder als an meinen Ausflügen tagsüber. Der riesige Wald, der mein Dorf fast zu jeder Seite umschloss war gerade für Kinder eine verbotene Zone. Selbst die Erwachsenen wagten sich nur in äußersten Notfällen hinein, doch der Grund dafür wurde mir nie erzählt und so war ich eines Tages, als mein Hunger wie heute besonders groß war, auf der Suche nach Essen vorsichtig in die Randgebiete des Waldes geschlichen. Es stellte sich als wahre Goldgrube für Beeren und Früchte heraus, da sich eben niemand dorthin wagte um zu sammeln. Von da an nutzte ich die äußeren Gebiete des Waldes, wo die Bäume nicht zu dicht standen als meine persönliche Speisekammer um die mageren Mahlzeiten die mein Onkel mir erübrigte zu ergänzen.

Doch heute war es nicht so wie sonst. In der Nacht wirkte der Wald vollkommen anders und ich hatte Angst mein Orientierungssinn könnte mich an diesem mir fremd scheinenden Ort im Stich lassen. Mein Onkel hatte mir jedoch keine Wahl gelassen. Normalerweise versuchte ich die weite Waldfläche möglichst so zu nutzen, dass ich an keinem Teil des Waldes den ich zuvor besucht hatte ein zweites mal vorbei kam bevor die Pflanzen Zeit hatten neu zu wachsen, aber ich war in solcher Hast aus dem Haus gelaufen, dass mir nicht ganz klar war auf welchem Teil des Waldes ich mich gerade zubewegte. Als ich bei den ersten Bäumen ankam fing ich an bedächtiger zu gehen und auf meine Umgebung zu achten. Eigentlich war es nicht schwer hier etwas zu essen zu finden, aber der Mond war heute hinter ein paar Wolken versteckt und die Schatten der Bäume wirkten wie schwarze Tücher die den Waldboden bedeckten. Diese Schatten brachten mich auf die Idee nach Mondblumen Ausschau zu halten. Diese Art von Pflanze wächst nur im Schatten und hat weiße Blütenblätter, sodass man sie auch in schlechten Lichtverhältnissen gut finden kann. Das Entscheidende war für mich allerdings, dass in ihrer Nähe häufig Mondpfirsiche zu finden sind, die eine hervorragende Mahlzeit bieten würden.

Auf meiner Suche nach den Mondblumen geriet ich immer tiefer in den Wald, denn je mehr Schatten es gab desto wahrscheinlicher war, dass die empfindlichen Blumen überleben könnten. Ich muss schon eine ganze Weile durch den Wald gelaufen sein, als ich endlich in ein paar Metern Entfernung eine Mondblume weiß schimmern sah und direkt darüber an einem Ast: Mondpfirsiche! Erleichtert endlich meinen Magen füllen zu können atmete ich erschöpft auf, lief zu dem Baum, pflückte eine Hand voll Pfirsiche und wollte gerade in einen von ihnen hineinbeißen, als ich plötzlich der vollkommenen Stille gewahr wurde. Wieso fiel mir das jetzt auf? Langsam wurde mir klar, dass ich während meiner Suche, abgesehen von meinen eigenen, vorsichtigen Schritten, noch ein weiteres Geräusch hören konnte und nun da ich es nicht mehr hörte war ich darauf aufmerksam geworden. Ich duckte mich und blickte mich langsam um. Mit Entsetzen sah ich wie weit ich schon in den Wald vorgedrungen war. Weiter als ich mich an meinen Ausflügen tagsüber je gewagt hatte! Ich bekam es erneut mit der Angst zu tun. Und da hörte ich Es wieder: Ein leichtes Rascheln von Blättern und ein kaum hörbares Schaben von Erde.

Es geht weiter in Teil 5